Montag, 6. Juni 2022

(Un-)Erträgliche Leichtigkeit des Reisens

Irgendwie haben diese schlauchartigen Tunnel, die vorne am Flugzeug angedockt werden und durch die man direkt ins Flughafengebäude gelangt doch ein besseres Image als die fahrbaren Treppen. Oder? Zum Beispiel sind sie am Stuttgarter Flughafen für Lufthansa - Maschinen und am Züricher Flughafen für Swiss und andere ehemals staatliche Fluggesellschaften reserviert. Wer mit Ryanair usw. fliegt, muss zum Teil über das Rollfeld gehen. 

Quelle: https://nara.getarchive.net/amp/de/media/a-group-of-cuban-migrants-wait-to-board-a-us-department-of-justice-immigration-92b714 (06.06.2022)

Aber haben diese Dinger überhaupt so große Vorteile? Ein nicht zu unterschätzender Nachteil ist, dass nur eine Türe verwendet werden kann, also alle Passagiere durch ein Nadelöhr müssen. Das vergrößert noch den Stress des durchschnittlichen Geschäftsreisenden, der, kaum dass das Flugzeug mit allen Rädern die Landebahn berührt hat, seine Mails und seinen Terminkalender checken und, sobald es zum Stillstand gekommen ist, mit seinem Trolley durch den Mittelgang stürmen muss. 
Dagegen haben die Flugbegleiter*innen in Pandemie - Zeiten (Dezember 21) ein Konzept entwickelt: Erst bei Stillstand des Flugzeugs und nach Aufforderung des Personals dürfen die Passagiere Reihe für Reihe aufstehen, ihre sieben Sachen zusammensuchen und sich zum Ausgang bewegen. Mich erinnert das ziemlich stark an Lehrer - Ansagen wie "Ich beende den Unterricht!" oder "Keiner geht in die Pause, bevor nicht alle Papierschnitzel, Capri - Sonne - Packungen und Red - Bull - Dosen aufgeräumt worden sind!" Also vermutlich genau die Sprache, die Geschäftsmänner und -frauen verstehen. 
Nun reisen ja nicht nur Businessleute. Es steht ja sogar zu hoffen, dass die Videotelefonie viele Geschäftsreisen ersetzt. Doch auch Touristen reißt es bei den Worten "parking position nuschel nuschel" aus den Sitzen. Warum eigentlich? Nach dem Gedränge am Ausstieg, im Tunnel und an den komischen Sicherheitsschleusen kommt ja noch die Warterei am Kofferband. Warum also diese Eile? Man ist doch im Urlaub! 
Leider ist die begrüßenswerte Maßnahme zum zivilisierten Aussteigen fünf Monate später schon wieder verschwunden - genauso wie das Abstandhalten und die Desinfektionsstationen im Supermarkt. Eine Bewusstseinsveränderung hat nicht stattgefunden: alle rennen wieder zum vorderen Ausgang. Ohne Rücksicht auf Verluste. SUV - Fahrer und Maske-unter-der-Nase-Träger zuerst. 

Samstag, 3. April 2021

Schule einfach öfters mal ausfallen lassen...

Schwäbisches Tagblatt, Stuttgart und Umgebung, 3. April: "Die Familie mit zwei Kindern hat eine Woche Mallorca gebucht. Auf die Frage, ob es ihm Kopfzerbrechen bereite, dass bei einem positiven Testergebnis die Rückkehr nach unmöglich sei, antwortet einer der Söhne im Grundschulalter: 'Das wäre super!  Dann könnten wir noch eine Woche länger bleiben.' Tatsächlich hat die Familie vorgesorgt: Im Falle eines Falles wäre, so versichert sie, ein unfreiwillig um eine Woche verlängerter Urlaub organisatorisch kein Problem. 'Nur mit der Schule müssten wir dann telefonieren.'"
1) Schön, dass die Menschen so entspannt mit der Situation umgehen. Bestimmt sind sie ebenso entspannt, was die Organisation des Fernunterrichts durch Politik, Behörden und Schulen angeht. 
2) Erfreulich, dass das Kind im Grundschulalter seiner eigenen Schulbildung so eine große Bedeutung bemisst und nicht verkrampft. Vermutlich haben die Eltern darauf keinerlei Einfluss genommen. 
3) Hoffentlich gehen die Schulleiter mit diesen erfreulichen Entwicklungen angemessen um und informieren nicht aus übertriebener Wertschätzung des Unterdrückungsinstruments "Schulpflicht" die Polizei.

Samstag, 19. Dezember 2020

Textaufgabe

Bild von holzijue auf pixabay.com

Kleine Aufgabenhilfe für meine geschätzten Mathe - Kolleg*innen: Im Jahr 2020 wurde der gewünschte Pünktlichkeitswert bei den Fernzügen der Deutschen Bahn eingehalten. Folgende Informationen finden sich im Artikel 'Deutsche Bahn ist deutlich pünktlicher als im Vorjahr' auf Spiegel-Online:

Die Deutsche Bahn lässt ihre Kunden auch im Herbst seltener warten als im vergangenen Jahr. Wie im September fuhren im Oktober 78,8 Prozent der Fernzüge pünktlich ein, wie ein Bahnsprecher mitteilte. Damit stieg der Pünktlichkeitswert bei ICE und Intercitys um 5,8 Prozentpunkte gegenüber Oktober 2019. Wegen der Corona-Pandemie fuhren mit dem Fernverkehr allerdings auch nur halb so viele Menschen wie vor der Krise.

Die Fragen an die Schülerinnnen und Schüler lauten nun:

1. Wenn die Fernzüge der Deutschen Bahn im Jahr 2020 unter Corona-Bedingungen zu 78,8 Prozent pünktlich kamen, wieviele Kunden müssten noch auf die Nutzung der Fernzüge verzichten, damit 

a) ein Pünktlichkeitswert von 90 Prozent,

b) ein Pünktlichkeitswert von 100 Prozent erreicht würde?

2. Wie pünktlich könnten die Fernzüge ankommen, wenn sie keine Fahrgäste transportieren müssten?


Es zählt auch der Lösungsweg. Vorschläge bitte in die Kommentare.

Freitag, 2. Oktober 2020

Bibliothekserinnerungen

Vor ein paar Jahren ging man, wenn man in der Universitätsbibliothek Tübingen etwas ausleihen wollte, an den Schalter im Lesesaal. Dort stand eine Bibliotheksangestellte oder ein Bibliotheksangestellter. Vielleicht waren es auch Bibliothekar*innen oder mal so, mal so. Jedenfalls scannten sie die Bücher ab, die man ausleihen wollte, wiesen darauf hin, wenn man ein nicht-ausleihbares Buch genommen hatte, fragten, ob man Gebühren gleich bezahlen wolle und gaben Fernleihen heraus. Manche waren langsam und es bildeten sich Schlangen. Dann informierte man die Kolleg*innen: Geh jetzt nicht, Frau xy ist an der Ausleihe. Manche waren muffig und unfreundlich: man hatte den Eindruck, sie wollten einem die Bücher nur ungern herausgeben, als würden sie sie als ihren eigenen Besitz betrachten. Andere waren schnell und effizient, andere freundlich. Einer, er trug einmal, am Tag nach einem Sieg gegen den BVB, ein Trikot von Eintracht Frankfurt, verabschiedete einen immer mit den Worten: viel Spaß! Und ich dachte mir dann: Wie schön! Obwohl er weiß, dass die allermeisten Besucher Bücher zur Prüfungsvorbereitung und für die Abfassung von Hausarbeiten mitnehmen, deren Lektüre ihnen vermutlich auch Mühe bereiten wird, ist er überzeugt davon, dass die Beschäftigung mit Büchern Spaß machen kann - und sollte!
Seit die Ausleih- und Rückgabeautomaten installiert wurden, habe ich ihn nicht mehr gesehen. Man kann jetzt mit vollaufgedrehter Musik auf den Ohren und ohne Rucksack und Jacke abzugeben bis zum Lesesaal durchgehen, Bücher auswählen und entleihen, ohne mit einem Menschen in Kontakt treten zu müssen.
Was für ein Fortschritt. 

Bild von <a href="https://pixabay.com/de/users/foundry-923783/?utm_source=link-attribution&amp;utm_medium=referral&amp;utm_campaign=image&amp;utm_content=869061">Foundry Co</a> auf <a href="https://pixabay.com/de/?utm_source=link-attribution&amp;utm_medium=referral&amp;utm_campaign=image&amp;utm_content=869061">Pixabay</a>
Bild von Foundry Co auf Pixabay

Freitag, 19. Juni 2020

Flächenfraß Re-Edit

Vor vier Jahren, am 16.11.2016, schrieb ich einen kurzen Post zu einem kleinen verwilderten Stückchen Land in Tübingen, eingeklemmt zwischen drei Straßen, auf dem Disteln, Brennesseln und Kletten wuchern durften und das in dieser Zeit etwa zur Hälfte planiert wurde, um in der Mietpreishölle Tübingen einem Möbelhaus Platz zu machen, aber natürlich nicht etwa einem Möbelhaus für Normalsterbliche, sondern einem auf Massivholz- & Gartenmöbel spezialisierten, das nur für die Kunden taugt, die sich Dreizimmerwohnungen für 450 000 Euro leisten können, und wo man sich fragt, wofür die eigentlich Gartenmöbel brauchen, weil in Tübingen ja keine Gärten mehr vorgesehen sind zwischen Egeria-Viertel und Güterbahnhofareal, wo alles so dicht zusammen wohnt, dass auf den Balkonen nurmehr Platz für Klappstühle ist, aber bitte schön aus Massivholz. Jedenfalls hat es jetzt die andere Hälfte des Gestrüppdickichts erwischt, wer braucht schon Disteln, Brennnesseln und wilde Brombeeren außer Distelfinken, Schmetterlingen und Igeln, platt ist alles gemacht worden und welche Partei spricht noch mal ständig von der zu verhindernden Bodenversiegelung?, egal, keine Ahnung was da hinkommt, vermutlich eine Kaffeerösterei, ein Soja-Shop oder ein Sockenladen, auf jeden Fall sei hiermit bekräftigt: ich bin nicht einverstanden!



Freitag, 10. April 2020

Lenz

Er niest

Birkenpollen lässt sein Band
wieder flattern durch die Lüfte
süße niesreizende Düfte
streifen ahnungsvoll das Land.
Antihistaminika
wollen balde kommen -
oder vielleicht etwas Arnika? 
Heuschnupf, ja, du niest,
Dich hab ich vernommen. 


Mittwoch, 25. März 2020

Lieblingsplätze in Tübingen

Wenn man sich nicht bewegen darf wie sonst, denkt man sich 'raus.
Die Idee zu diesem Text hatte ich schon vor zweieinhalb Jahren im Herbst, als die Tage kürzer wurden, liebe Freunde sich überlegten, wegzuziehen, und immer klarer wurde, dass auch wir nicht ewig in unserer Wohnung wohnen würden bleiben können, da sie jeden Tag ein bisschen kleiner wurde.Wir wussten also nicht, ob auch für uns bald der Tag kommen würde, an dem wir uns von Tübingen verabschieden müssten.
Im Schwäbischen Tagblatt wurden Politiker und sonstige Prominente damals für Porträts gerne nach ihrem Lieblingsplatz in Tübingen befragt. Da ich weder das eine noch das andere bin oder in absehbarer Zeit sein werde, äußere ich mich einfach mal auf meinem eigenen Blog dazu. Durch die Umstände ist es mehr eine Reise in die Vergangenheit als in die Ferne, denn Lieblingsorte haben immer etwas mit den Momenten zu tun, die wir dort verbracht haben (Chronotopos).
1) An der Kreuzung der Nauklerstraße mit der Melanchthonstraße im Eckhaus gibt es einen kleinen Bäcker, früher betrieben von der Tübinger Bäckerei Gauker. Er war der nächste Bäcker zum Brechtbau und ich habe dort ungezählte Tassen Kaffee getrunken, Butterbrezeln und Apfelballen gegessen. Zeitweise lag er auch auf meinem Weg nach Hause und ich kaufte dort Brot ein. Der schönste Platz war damals ein Tisch mit zwei Stühlen, der vor dem Bäcker auf dem Gehsteig stand. Am besten saß man dort morgens im Frühsommer, wenn es noch ein wenig frisch ist. In regelmäßigen Abständen schwappten Studenten von der Haltestelle Mohlstraße herunter, in den Bäcker hinein und weiter über die Wilhelmstraße und in die Fakultäten. Der Ort vereinte die Ruhe einer Wohngegend mit dem urbanen Flair der Universitätsstadt.

Bildquelle unten

2) Wenn man im Sommer abends in der Stadt draußen Bier trinken möchte, geht man zum Beispiel in die Gasthausbrauerei Neckarmüller in den großen Biergarten direkt am Fluss. Wenn man dabei aber die Gruppen von Betrunkenen und/oder JunggesellInnen-Abschieden sowie die Schnaken anziehende Beleuchtung vermeiden will, kann man eine von zwei Bänken ansteuern, die auf der anderen Seite des Biergartens stehen. Von dort hat man einen wunderschönen Blick auf das Neckarparkhaus und das Hotel Domizil. Es ist die erwachsene Weiterentwicklung des Herumgammelns auf Spiel- und Parkplätzen, denn die Versorgung mit Bier vom Fass ist gesichert - nicht ganz billig aber umweltfreundlich. 
3) Den dritten Lieblingsplatz verbinde ich mit meiner ersten Elternzeit. Es ist die Eisdiele vor dem Haagtor. Hier kam ich immer mit dem Kinderwagen vorbei, wenn ich in die Stadt ging - und oft ging ich daran nicht vorbei, ohne mir eine Waffel mit Vanilleeis und Amarena Kirsch zu kaufen. Wenn man das Eis direkt vor Ort essen möchte, kann man sich auf einen von circa sieben Stühlen setzen, die alle unterschiedlich sind, oder auf eine lange leicht angemoderte Bank unter dem Baum, der gegenüber der Eisdiele steht. Auch auf diesem Platz herrscht ein reges Kommen und Gehen. Es gibt Bewegung von Fahrrädern und Fußgängern, die durch den Fahrradtunnel kommen und gehen, viele auf dem Weg zum Freibad und entsprechender Stimmung, aber es ist selten laut oder hektisch. Wenn das Kind ein bisschen größer ist, kann es auf der modrigen Bank herumklettern, und wenn es noch größer ist, möchte es selbst ein Eis und auf den Spielplatz gegenüber.

Bildquelle: Bild von <a href="https://pixabay.com/de/users/markusspiske-670330/?utm_source=link-attribution&amp;utm_medium=referral&amp;utm_campaign=image&amp;utm_content=595478">Markus Spiske</a> auf <a href="https://pixabay.com/de/?utm_source=link-attribution&amp;utm_medium=referral&amp;utm_campaign=image&amp;utm_content=595478">Pixabay</a>